• In Anlehnung an meinen Kommentar vom Freitag und den Reaktionen darauf, möchte ich meinen liebgewonnenen Lesern noch ein paar Zeilen in dieser Angelegenheit zukommen lassen. Gleichzeitig möchte ich natürlich nicht, dass mein „Morning Comment“ dabei zu einer Art „Wort zum Sonntag“ mutiert. Manchmal ist es aber wichtig, über den Tellerrand der Börsen hinauszuschauen.
    Als Anhänger der „österreichischen Schule“ verstehe ich mich als „Whistleblower“ der Volkswirtschaftslehre. Ich möchte den Menschen über das was hier gerade passiert, die Wahrheit sagen. Natürlich hinterfrage ich mich dabei täglich selbst.
    Aus Furcht darüber, dass ich auf diesem Portal auch auf taube Ohren stoßen und mich als „Dauerpessimist“ zum Affen machen könnte, fragte ich einen Freund um Rat. Er sagte absolut nichts dazu, sondern ließ mir kommentarlos folgende Zeilen aus einem der wohl bedeutendsten Werke überhaupt zukommen. Sie sind zu lesen im Buch – „Vom Kriege“ – des preußischen Generals Carl von Clausewitz. Dessen Ansatz ist faszinierend und geht weit, weit über den militärischen Bereich hinaus.
    „Von Clausewitz meint das so“, schrieb mein Freund:
    „Man muss oft etwas gegen die Wahrscheinlichkeit des Gelingens unternehmen, wenn man nämlich nichts Besseres tun kann. Wollten wir hier verzweifeln, so hörte unsere vernünftige Überlegung gerade da auf, wo sie am notwendigsten wird, da, wo sich alles gegen uns verschworen zu haben scheint.
    Wenn man also auch die Wahrscheinlichkeit des Erfolges gegen sich hat, so muss man das Unternehmen darum nicht für unmöglich oder unvernünftig halten; vernünftig ist es immer, wenn wir nichts Besseres zu tun wissen und bei den wenigen Mitteln, die wir haben, alles so gut als möglich einrichten. Damit es in einem solchen Falle nicht an Ruhe und Festigkeit fehle, die im Kriege immer am ersten in Gefahr kommen und die in einer solchen Lage so schwer zu bewahren sind, ohne welche man aber mit den glänzendsten Eigenschaften des Geistes nichts leistet, muß man sich mit dem Gedanken eines ehrenvollen Unterganges vertraut machen, ihn immerfort bei sich nähren, sich ganz daran gewöhnen. Seien Sie überzeugt, gnädigster Herr, daß ohne diesen festen Entschluß sich im glücklichsten Kriege nichts Großes leisten läßt, geschweige denn im unglücklichen.“
  • Hier stehe ich und kann nicht anders. Als leidenschaftlicher Vater, Volkswirt, Vermögensverwalter und Dozent, werde ich meiner Familie, Freunden, Mandanten, Geschäftspartnern und Studenten weiterhin nicht das über die Welt erzählen, was sie hören wollen. Ich werde ihnen nach besten Wissen und Gewissen erzählen, was tatsächlich passiert. Ich bin kein Pessimist, sondern ein Realist der glaubt, dass auch wieder besser Zeiten auf uns zukommen, sofern wir es denn richtig anpacken. „Zurück zur Vernunft“ ist und bleibt denn auch der Leitsatz unserer Pari Passu Vermögensmanagement.
  • Und nun zu den Börsen. Der Freitag war ruhig und stand ganz im Zeichen der Konsolidierung. So kurz vor dem OPEC/Non-OPEC Treffen in Doha war ein Anstieg der Nervosität allerdings anzumerken. Ölnotierungen fielen um rund -3% und sorgten damit für eine Divergenz zum Aktienmarkt (S&P -0,10%). Diese dürfte sicherlich nicht allzu lange anhalten. Entweder Öl muss nach oben, oder Aktienindizes nach unten.
  • Erneut bekamen wir am Freitag sehr schwache US-Daten an der Makrofront. Die Industrieproduktion fiel dort um -0,6%. Der die Verbraucherstimmung messende University of Michigan Index kam auf dem schlechtesten Wert seit Herbst letzten Jahres. Es ist dessen vierter Rückgang in Folge. Die New York Fed senkte gleichzeitig für Q1 und Q2 die US-BIP-Prognosen nach unten. Es wird interessant zu sehen sein, wie der Markt diese Serie an schlechten Makrodaten verarbeiten wird, sollte sie denn weiter anhalten. In den letzten drei Jahren war das nicht immer offensichtlich und die Marktreaktionen fielen oft sehr unterschiedlich aus. Sind mit Blick auf die QE-abhängigen und verzerrten Aktienmärkte „good data“ = good data“ (da Wirtschaftswachstum), oder „good data“ = „bad data“ (da Zinserhöhung). Sind „bad data“ = „bad data“ (da Rezession) oder „bad data“=“good data“ (da keine weitere Zinserhöhung). Wir werden sehen, wie sich das in 2016 einpendelt. Anders als in den letzten drei Jahren, haben die Zentralbanken ihr Pulver allerdings verschossen und sind “cornered“. Wir könnten nach langer Abstinenz wieder in eine Phase kommen, in der schlechte Makrodaten für Risikoanlagen langsam zum Belastungsfaktor werden.
  • Mit dem Wochenende liegt jetzt der marktstützende Optionsverfall und das Doha-Meeting hinter uns. Der Dax (-0,42%) hat es bisher nicht geschafft, die entscheidende Widerstandsmarke um die 10.100 nachhaltig zu überwinden. Ähnlich sieht es im S&P500 aus. Auf Wochenbasis gelang kein Closing deutlich über der Region um 2.080/2.100, welches für die Aktienbullen aus technischer Sicht doch langsam sehr wichtig wäre. Die bärischen Divergenzen nehmen zu. Seit Anfang März befinden sich beide Aktienindizes in einer für Bullen & Bären frustrierenden Seitwärtsspanne (Dax 9.500/10.100, S&P 2.000/2.080) und ein Befreiungsschlag will beiden Seiten bisher nicht gelingen. In der kurzen Frist hat sich die Situation in der Technik verbessert und befeuert den „bullish case“. Über die mittlere- und langfristige Sicht, deutet die „Price Action“ aber weiterhin auf die typische Ausbildung einer Top-Formation, analog wie wir sie 2000 und 2008 erleben durften. Zur Erinnerung, ein Bullenmarkt dreht niemals schnell, sondern immer extrem langsam.
  • Fast auf den Tag genau vor einem Jahr, verzeichnete der Dax sein Allzeithoch und drehte trotz QE der EZB talwärts. Auf Basis der aktuellen Bewertungen (P/E im S&P > 17x) und Positionierung der Marktteilnehmer (kaum noch Shorts), sowie dem, was uns noch so alles erwartet (Fed, Brexit-Abstimmung, US-Wahl, Griechenland), hört man jetzt vereinzelt wieder “sell in May, go away“ durch die Handelssäle hallen. Nicht immer trifft diese alte Börsenweisheit freilich zu. Trotzdem wird es mit jedem Tag spannender. Eines ist erfahrenen Anlegern an den Kapitalmärkten vollkommen bewusst. Je länger Seitwärtsphasen anhalten, desto heftiger wird der Ausbruch danach. Beiden Lagern, Bullen wie Bären, sei angeraten, sich anzuschnallen.
  • Unsere Einschätzung hat sich bestätigt. Das Treffen der Ölförderländer in Doha wurde zur Farce. Man konnte sich nicht auf ein Einfrieren der Fördermengen einigen. Eigentlich ist damit das Gleiche herausgekommen wie in praktisch allen Meetings der letzten 20 Jahre auch. Einziger Unterschied, man gibt diesmal öffentlich zu, keine Einigung erzielt zu haben. Die Saudis ziehen ihren eigentlichen Masterplan also weiter durch (siehe Kommentar letzte Woche). Wir dürften die nächsten Tage gespannt sein, wie die einzelnen Marktsegmente darauf reagieren. Der Haupttreiber der Risikoanlagen seit Februar war die naive Hoffnung, dass in Doha etwas Substantielles herauskommt. Öl notiert in Fernost heute Morgen -4% schwächer. Die Aktienmärkte ebenso (Australien -0,4%, Nikkei -3,5%, Shanghai -1,5%, Hongkong -1,3%). Der japanischer Yen legt gegen den USD wieder zu (USD/JPY <108,00). Heute also bei uns Eröffnung mit Gap Down.

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