Man hatte uns mit der neuen Brankenrichtlinie versprochen, dass zuerst private Eigentümer und Gläubiger zur Kasse gebeten werden, bevor das Geld der Steuerzahler für die Rettung maroder Banken aufgewendet wird. Das Problem in Italien ist, dass viele gierige Sparer ihr Geld wegen der niedrigen Zinsen nicht auf Cash-Konten haben liegen lassen, sondern nachrangige Bankanleihen mit hohen Kupons dafür gekauften. Als Cash-Ersatz sozusagen. Etwa 31 Mrd. Euro dieser Anleihen befinden sich im Bestand solcher „Retail-Kunden“. Oops!
Mich erinnert das alles an meine Zeit auf dem Trading Floor. Im Jahre 1998 ging Russland pleite und gierige Privatkunden, die sich zuvor von den hohen Kupons haben locken lassen, rieben sich auf einmal verwundert die Augen, dass solche Papiere plötzlich nicht mehr so handelten wie deutsche Bundesanleihen oder geparktes Cash.
Damals wie heute haben diese Anleger nicht verstanden, dass hohe Kupons von Anleihen einen ganz gewissen Grund haben. Es spiegelt das Ausfallrisko wider. Diese Nachranganleihen der europäischen Banken (beispielsweise Cocos) wurden genau für eben diesen Fall begeben. Dass in Krisenzeiten automatisch Fremd- in Eigenkapital umgewandelt werden kann. In wirtschaftlich schwierigen Situationen verbessert der Emittent dadurch seine Eigenkapitalbasis und das ist gut. Für dieses Risiko wird der Käufer der Anleihe in Form eines höher als üblichen Kupons entschädigt.
Selbst Finanzminister Schäuble, der bisher auf eine Einhaltung der Richtlinien bestand, zeigte sich zuletzt gnädig. Es müssten Wege gefunden werden, wie Kleinanleger geschont werden können, sagte er vorgestern. Wieso eigentlich? Laufen diese Anleihen gut, streichen die Anleger fette Kursgewinne und Kupons ein. Läufen die Anleihen in die falsche Richtung, soll aber der Steuerzahler den Verlust ausgleichen. Ist das fair? Was ist das für ein Selbstverständnis? Sind wir im Sozialismus angekommen??? Oh, sorry! Natürlich sind wir das.

Apropos Gier!!! Die Marktteilnehmer „hoffen“ sich derzeit regelrecht in Ekstase. In den letzten 10 Tagen hat der S&P 7,6% zugelegt (gestern +0,7%). Es ist der beste „10-day-run“ seit Oktober und November 2011. Gleichzeitig kamen Bundesanleihen/US-Treauries, Yen und Gold gestern erstmals signifikant unter Druck. Das ist interessant. Reden wir bald wieder von der „big rotation“??? JP Morgan ließ sich nicht ohne Ironie zu folgendem Kommentar hinreißen: „On Friday stocks rallied because of low bond yields and this week they are extending those gains because yields are higher“.
Einzig die Price-Action im VIX passte nicht ins Bild. Der Volatilitätsindex fiel nicht, er stieg. Auch wird von einigen wenigen Marktteilnehmern kritisch angemerkt, dass lediglich 15% der Werte im S&P ein neues 52-Wochenhochs verzeichneten, während der Index am neuen ATH handelte.

Es ist die Hoffnung, dass Japan ein riesiges Maßnahmenpaket liefert, dass Italien/EU Versprechen brechen und Steuerzahler anstatt Eigentümer/Gläubiger der Banken in Haftung nimmt und dass in Großbritannien nun auch eine kinderlose Frau und Pfarrerstochter als ranghöchste Politikerin EU-freundlich handelt. Nicht auszudenken was passiert, wenn diese Hoffnungen nicht erfüllt werden, weil Japan beispielsweise nicht „genug“ liefert. Der von CNN entwickelte Fear & Greed Index zeigt, dass wir uns aktuell wieder in einer Situation befinden, in dem alle extrem gierig und sorglos sind. Der Index befindet sich mit 88 auf dem höchsten Niveau seit Sommer 2014. Damals lancierte die Bank of Japan ihr QQE2-Programm während Fed-Mitglied Bullard gleichzeitig QE4 in Aussicht stellte. Zeigt das Barometer extreme Gier, bietet sich für Antizykliker der Verkauf an. Nicht immer, aber oft genug, gilt dieser Index als guter Vorlaufindikator.

Morgan Stanley gab gestern bekannt, dass man in London nun doch keine 2.000 Stellen abbauen wolle. Auch Siemens macht nun einen Rückzieher vom Rückzieher. Im Anlauf auf das Brexit-Votum versuchte der Konzern Einfluß auf die Wähler zu nehmen und warnte, dass man sich aus Großbritannien zurückziehen könnte. Gestern verkündete CEO Joe Kaeser: „We never said the UK is in bad shape if it leaves the EU“. Tja, „talk the talk and walk the walk“.

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