• Das Warten auf die heutige EZB-Entscheidung macht die Marktteilnehmer extrem nervös. Schön war das am Verlauf des Dax-Index am gestrigen Tage zu erkennen. Am Vormittag ging es 150 Punkte nach oben (siehe Gerüchte unten), am Nachmittag wurde dann alles wieder abgegeben (trotz der Rallye im Ölpreis). Es blieb auch an der Wall Street eine Achterbahnfahrt ohne klare Richtung. Fast hätten wir im S&P-Index die wichtige 1.980 nach unten durchbrochen. Es handelt sich dabei um die kurzfristige Aufwärtstrendlinie, die sich dank des „Short-Squeezes“ seit dem 11.02 etabliert hat. Die Bullen versuchen mit allen Mitteln diese Marke zu verteidigen. Dank einer wundersamen Mini-Rallye kurz vor Schluß, gelang uns ähnlich wie im Dax ein Closing leicht im Plus (S&P WTD jetzt -0,6%).
  • Es fehlt weiterhin die Überzeugung dafür, wohin die Reise nun weitergeht. Auf Basis der Fundamentaldaten ist man eher negativ gestimmt. Die Angst, eine weitere Rallye zu verpassen, ist allerdings deutlich größer. Es ist nicht nur ganz schwer einzuschätzen, was die EZB machen wird, sondern auch, wie die Märkte dann reagieren. Selbst wenn uns jetzt jemand ins Ohr flüstern würde, welche Maßnahmen die EZB bringt, heisst das noch lange nicht, dass wir deshalb die Preisreaktion richtig voraussagen können. Alles ist heute möglich. Man kann nur eines hoffen, dass die Financial Times nicht wie im Dezember ein paar Minuten vorher mit einem Artikel auf ihrer Webseite aufwartet, auf dem genau das Gegenteil dessen steht, was die EZB tatsächlich macht.
  • Ähnlich wie bereits am Dienstag, gab es auch gestern Gerüchte, wonach die EZB heute zusätzlich zur der Senkung des Einlagenzinses und der Aufstockung der Wertpapierkäufe, einen neuen Langfristtender für Banken bringen könnte. Dieser Tender, so wird gemunkelt, könnte eine negative Rendite haben. Das heißt, Geldhäuser leihen sich bei der Notenbank Geld und bekommen aber Zinsen dafür. Den Märkten, allen voran den zuletzt stark gebeutelten Bankaktien, dürfte eine solche Maßnahme gefallen, sollte sie denn wirklich kommen.
    Eine langanhaltende Rallye wird aber auch das nicht zur Folge haben. Alles in allem haben die Märkte den Glauben an QE & Co. verloren. Die EZB hat seit Beginn des QE bereits über 700 Mrd. Euro in die Märkte gepumpt und trotzdem ist die Inflation negativ und Unternehmensgewinne sowie Wirtschaftswachstum lässt zu wünschen übrig. Die deflationären Kräfte überwiegen (Zurückhaltung in der Kreditvergabe, Bilanzverkürzungen der Banken, Basel III).
  • Während die meisten Privatkunden von Negativzinsen bislang verschont blieben, haben die Steuerbehörden übrigens laut „Die Welt“ vorsichtshalber bereits festgelegt, dass Verluste durch negative Zinsen nicht beim Finanzamt geltend gemacht werden können.
  • So scharf ich die Geldpolitik Draghi’s auch verurteile, ich muss ihm etwas zugutehalten. Er weiß, dass die Geldpolitik in ihrer Effektivität auch Grenzen hat. Er wies auf seinen Pressekonferenzen der letzten Jahre immer wieder darauf hin, dass die EZB nicht alleine zur Bewältigung der Finanzkrise beitragen kann. Die Politiker der Mitgliedsstaaten müssen ebenso liefern und dringend notwendige Reformen durchsetzen. Da aber der Handlungsdruck auf diese Kaste dank fallender Renditen ihrer Staatsanleihen immer geringer wurde (klassisches „moral hazard“ Problem), ist auf dieser Front in den letzten Jahren nicht genug passiert. Schlimmer noch, in Griechenland, Portugal und Spanien erstarkten wieder die Sozialisten, die am allerwenigsten an Haushaltsdisziplin denken. Warum sollte auch ein Politiker in der Peripherie seinen Wählern schmerzhafte Reformen zumuten, wenn er sich dank der EZB fast zu den gleichen Konditionen am Kapitalmarkt refinanzieren kann wie Deutschland?!? Dieser Reformstau hat dazu geführt, dass die Risikoaufschläge der Peripherieanleihen in den letzten Monaten immer wieder anfingen, in die falsche Richtung zu zucken. So kommt es denn auch, dass einige Marktteilnehmer nicht ausschließen, dass Draghi bewusst (!) weniger liefern könnte als erwartet, um den Handlungsdruck auf die Politik nach entsprechender Reaktion der Märkte aufrecht zu halten. Ich jedenfalls, würde das begrüßen.
    In diesem Zusammenhang brachte Zerohedge ein Zitat zum Schmunzeln (wenn es nicht tatsächlich so traurig wäre) aus dem inneren Zirkel des Eurosystems. „There is a refugee crisis; what could the ECB do? There is climate change; oh, the ECB needs to do something. I have hiccups; oh the ECB should do something….it’s crazy,” the source said. “I find this completely ridiculous and irresponsible. But we got ourselves into this.”
  • Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich anhöre wie eine hängengebliebene Schallplatte. Die jüngste Gegenbewegung in den Aktienindizes nach oben, ausgehend von den Februar-Tiefs, war eine klassische Bärenmarktrallye. Eine Fortsetzung dank Draghi ist natürlich nicht auszuschließen, aber sie bleibt, was sie ist, eine Gegenbewegung innerhalb eines neu etablierten Bärenmarktes. Auch der NASDAQ hatte in seinem Katastrophenjahr 2000, ausgehend von den Verlaufstiefs, insgesamt drei solcher brutalen Aufwärtsbewegungen (+17,3%, +33,1% und +16,2%). Bis der Index dann im Herbst 2002 endlich seinen Boden aushämmern konnte, wurden es nochmal -74,1% (!!!) ausgehend von den Zwischenhochs dieser Rallyes. Man kann nur hoffen, dass Marktteilnehmer, die auf den Kapitalerhalt angewiesen sind, dies nicht aus ihren Köpfen gelöscht haben.

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