- „Bad news“ = „good news“, „unsichtbare Hand“??? Was war das??? Logisch war das, was gestern da ablief jedenfalls nicht. Wahrscheinlich haben die Teilnehmer am Aktienmarkt in ihrer Euphorie der letzten Wochen vergessen, warum wir seit Mitte Februar überhaupt eine Hausse hingelegt haben. Sie basierte auf der Hoffnung, dass die Ölproduktion gedeckelt wird. Nun sind die Gespräche darüber gescheitert und die wichtigen Aktienindizes schaffen nach anfänglichen Verlusten dennoch neue Verlaufshochs. Der Ölpreis, zunächst -7%, erholte sich ebenfalls vollständig von seinen Tagestiefs und schloss sich der Party an.
Man einigte sich in Doha auf ein neues Treffen im Juni. Geht es jetzt weiter mit gezielt lancierten Headlines, wonach eine Einigung zur Begrenzung der Fördermenge praktisch bereits in trockenen Tüchern sei? Die Rohstoff-Analysten der Commerzbank schrieben jedenfalls treffend: „Saudi-Arabien hat somit eine Einigung bewusst torpediert und ein Scheitern billigend in Kauf genommen. Die Glaubwürdigkeit der Ölproduzenten im Allgemeinen und der OPEC im Speziellen hat dadurch schweren Schaden genommen.“ Faktisch, ist die OPEC tot, möchte ich hinzufügen. Die Saudis werden außerdem bald ihre eigene Ölproduktion hochfahren, wenn neu erschlossene Felder in Betrieb genommen werden. Ihr Masterplan wird weiter durchgezogen. Gestern schien das allerdings (noch) niemanden wirklich zu interessieren. - Wie geht es jetzt weiter? Braucht der Aktienmarkt wie oft üblich etwas länger, um wichtige Entwicklungen zu begreifen, oder reicht die Kraft tatsächlich für weitere Kursgewinne? Diese waren gestern zwar nicht gigantisch, aber immerhin eine erstaunliche Ansage an die Bären. Wie gesagt, der Dax (+0,68%) startete zunächst mit deutlichen Kurverlusten. Als die Ölnotierungen sich im Laufe des Vormittags von den Tagestiefs lösen konnten, ging es auch mit dem deutschen Börsenbarometer wieder nach oben. Das zur Eröffnung erfolgte Gap @10.040 nach unten, konnte dadurch wieder geschlossen werden. Danach folgte ein Schlusskurs exakt in der wichtigen Widerstandszone 10.100/10.120. Gelingt der Durchbruch nachhaltig, rücken die Zielmarken 10.300 oder gar 10.500 in den Fokus.
- Die nächsten Stunden werden interessant. Es gibt viel Gesprächsstoff, es gibt viel zu verarbeiten. Die Divergenzen im S&P (+0,65%) sind nun beispielsweise noch ausgeprägter als zuvor (RSI). Der Index befindet sich jetzt genau an den entscheidenden Widerständen. Es ist unter anderem die Abwärtstrendlinie, gezogen durch die Hochs des Sommers/Herbst 2015. Sollten sich die Aktienmärkte außerdem wirklich stabilisieren, bedeutet das, dass der US-Notenbank die Argumente ausgehen, warum sie nicht weiter an der Zinsschraube drehen kann. Die vom Markt implizierte Wahrscheinlichkeit eines „hikes“ im Juni liegt jetzt nur noch bei 12%. Die für den Dezember bei unter 50%. Fed Mitglied Rosengren (stimmberechtigt) warnte gestern, dass der vom Markt eingepreist Zinserhöhungspfad (zu gering) zu einer „Überhitzung“ der US-Wirtschaft führen würde, welche dann stärkere Zinserhöhungen nötig machen würde.
- Bei den Einzeltiteln tat sich einiges. Der heftige Gewinneinbruch (!) bei Morgan Stanley fiel besser als erwartet aus und belastete deshalb weder die eigenen Aktien, noch den Gesamtmarkt. Nach Börsenschluss brachte IBM Quartalszahlen und machte deutlich, dass man den Umsatzschwund nicht in den Griff bekommt (-5% nachbörslich). Die Erlöse fielen in Q1 damit bereits das sechzehnte Quartal hintereinander. Noch schlimmer erging es der Aktie von Netflix (-10%). Zum einen kam das Unternehmen mit einer enttäuschende Prognose für das Kundenwachstum. Zum anderen droht Konkurrenz von Amazon mit dem Prime-Video-Angebot für 1$ weniger als Netflix.
- In der Peripherie nimmt das saisonübliche Säbelrasseln zwischen der griechischen Regierung und ihren Geldgebern jetzt wieder zu. Die Griechen akzeptieren keine zusätzlichen Reformmaßnahmen in den derzeitigen Gesprächen, die bis zum 1. Mai abgeschlossen werden sollen. Auch die Rolle des IWF bleibt unklar. Dieser ist für einen erneuten Schuldenschnitt und einer Lockerung der haushaltspolitschen Vorgaben. Wird sich der Fonds beteiligen, oder nicht? Bei der EZB liegt eine Anleihe im Volumen von 2,3 Mrd., die am 20. Juli fällig wird. Bis genau zum 19.07 werden die Griechen höchst wahrscheinlich den harten Mann markieren, nur um dann wieder einmal einzuknicken. Das ganze wird uns deutschen Steuerzahlen dann selbstverständlich als Erfolg verkauft.