- Nach zweitägiger Pause und vielen gesammelten Eindrücken aus Frankfurt, bin ich nun wieder in der Lage zu schreiben. Ich grüße an dieser Stelle all meinen lieben Leser, die ich in der Finanzmetropole treffen durfte. Vielen lieben Dank für die netten Gespräche. Ohne unser Netzwerk, wäre Pari Passu niemals möglich. Gleichzeitig entschuldige ich mich für die Schreibpause.
- Nach dem „No“ der Italiener, steht die Eurozone nun tatsächlich vor dem Kollaps. Die Märkte zittern vor dem was jetzt kommt. Tumpflation, Wahlen in Holland, Frankreich, Italien und Deutschland stehen 2017 auf der Agenda. Die Aktienmärkte kollabierten in den vergangenen zwei Tagen so stark, wie seit 1987 nicht mehr. EUR/USD fiel aus dem Stand von 1,0600 auf 0,8000, dem stärksten Kursrutsch in der Geschichte dieser Fehlkonstruktion. Die Rendite der zehnjährigen italienischen Staatsanleihen handeln jetzt irgendwo zwischen 8,0% und 10%. Gold stieg zeitgleich auf 2.000 Dollar, physisch kann an dieser Front nichts mehr geliefert werden. Die Nachfrage ist gigantisch. Merkel gestand ihr Versagen in Sachen „Wir schaffen das“ ein und kündigte ihren Rücktritt an…………….
- …………………Tja, träum weiter!!!!!!! Lassen Sie mich meine neue und gleichzeitig erste Gleitsichtbrille auf die Nase setzen und einen zweiten Blick auf die Bildschirme werfen. Hier stimmt was nicht.
- Wir befinden uns jetzt in einer Phase, in der sämtliche Risiken da draussen, welche nun auch tatsächlich eingetreten sind (Brexit, Trump, Renzi, Platzen Anleiheblase), vom Aktienmarkt komplett ausgeblendet werden. Der Dax hat die nervtötende Handelsspanne nach oben verlassen. 10.800, lange Zeit eine unüberwindbare Hürde, wurde ohne Probleme geknackt. Es wird gehandelt und gejubelt, als ob der Weg zur 15.000 geebnet sei. Gleiches Bild am Devisenmarkt (trotz EZB Meeting….heute). Von den Tiefs in der Nacht zum Montag, legte der Euro über 300 Basispunkte zu, obwohl jetzt selbst von den hartgesottensten Europhilen ein Auseinanderbrechen der Währungsunion in Betracht gezogen wird.
- Bei meinen Treffen in Frankfurt wurde natürlich viel über die Gründe für diese jüngste Marktentwicklung gesprochen. War es tatsächlich die „Unsichtbare Hand“? Selbst der Kapitalmarktexperte der Zeitung „Die Welt“ fragte auf Twitter, ob wir in Europa jetzt auch ein Plunge Protection Team (PPT) hätten. Mich jedenfalls würde das wirklich nicht mehr wundern.
Als ich mich am Montag um 03:00 Uhr in der Früh ins Auto setzte, hatte Renzi bereits seinen Rücktritt angekündigt und die Aktienmärkte in Fernost handelten deutlich im Minus. Dem Euro zog es den Boden unter den Füßen weg.
Um 06:00 kamen dann die ersten Dax-Indikationen rein,…..-1%. Sehr gut, der deutsche Leitindex war ja ohnehin schon angeschossen, seitdem am Donnerstag die 10.600 nach unten rausgenommen wurde. Das blieb dann auch alles rot, bis ich um 09:00 zur Eröffnung in der Kasse meinen dritten Kaffee schlürfte und nochmals die Kurse überprüfte. Smartphone und Becher sind mir dabei fast aus den Händen gerutscht. Wie an einer Schnur gezogen, nein gerissen, katapultierte (!) man Dax & Euro in die Stratosphäre. Später schrieb ein frustrierter Händler absolut treffend, dass wir drei Tage brauchten für die Erholung vom Brexit-Shock, drei Stunden für die von Trump und nur drei Minuten für die von Italeave. IRRE!!!! - Eine weitere Erklärung könnte sein, dass Computer-Algorithmen aus der (kranken) Price-Action der letzten Monate gelernt haben und auf jeden vorbörslichen Kursrückgang reagieren und einfach nur kaufen, kaufen und nochmals kaufen. Denn jede Shortposition hat sich doch jüngst als Irrtum erwiesen, auch dann, wenn das Schreckensszenario tatsächlich eingetreten ist. Rom brennt! Egal, am Verlaufstief kaufen! Das war zuletzt immer das richtige Vorgehen. Fundamentales spielt überhaupt keine Rolle mehr!!! Jedem (!) Profi am Kapitalmarkt ist dabei klar, dass dies irgendwann in einem gigantischen Knall enden wird, …..aber eben jetzt (wohl) noch nicht.
- Ein dadurch ausgelöster Short-Squeeze mit stark steigenden Kursen und dem Durchbrechen entscheidender Widerstandsmarken weckt dann ausserdem die in den letzten drei Tagen so oft erwähnten „Animal Spirits“. Animalische und unreflektierte Instinkte werden in den Marktteilnehmern geweckt. Starke Emotionen wie Gier und die Angst etwas zu verpassen (Jahresendrallye) sorgen dafür, dass im Herdentrieb immer mehr Investoren auf den fahrenden Zug aufspringen. Die Hausse nährt die Hausse.
- Sicherlich kommt auch dazu, was Fondsmanager in Frankfurt bestätigten. Viel Cash ist an der Seitenlinie geparkt und drängt zur Anlage. Es ist dabei (noch) vollkommen egal, ob Aktien historisch hoch bewertet sind. Allenthalben hört man auch wieder das Argument, dass Aktien Sachwert-Charakter hätten, insbesondere wenn uns jetzt die Anleihen um die Ohren fliegen. „Aktien sind alternativlos“, wird dann noch hinten angefügt. Natürlich, auch das wird sich irgendwann in der Zukunft als miserable Anlagestrategie herausstellen, ……….aber eben jetzt (noch) nicht.
Vielleicht ist es auch eine Melange aus all diesen Erklärungsversuchen. Fakt ist, wir müssen damit leben und versuchen weiterzumachen. Zu hoffen bleibt, dass nicht genau dann, wenn sich alle dem Performance-Druck gebeugt und entsprechend positioniert haben, alles wieder dreht. Die Hausse nährt die Hausse. Die Hausse stirbt aber auch in der Euphorie. Wir werden sehen. Oft haben wir erlebt, wie schnell Dinge, die vorher komplett ignoriert wurden, ganz plötzlich und ohne Vorwarnung wieder relevant sind. „Hoffnung“ ist übrigens auch eine miserable Anlagestrategie.
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