- Letzte Woche sahen wir an der Wall Street einen der größten „Short Squeeze“ der letzten Jahre. Der S&P verzeichnete ein Wochenplus von 3,3%. Was trieb die Aktien? Bessere Konjunktur- und/oder Gewinnaussichten? Falsch, Aussichten schlechter denn je! Daß es auf einmal unseren Banken wieder gut geht? Falsch, einige Institute stehen kurz vor dem Kollaps! Daß China keine Deflation mehr exportiert? Falsch, siehe Yuan-Abwertungen!!! Billige Aktien? Falsch, teurer denn je!
Einem Großteil der Marktteilnehmer ist sich all dieser Umstände irgendwo tief im Inneren wahrscheinlich auch bewußt. Genau in dem Moment allerdings, als sich am Montag die zweite große Verkaufswelle abzeichnete, gaben die Zentralbanken in punkto Verbalintervention Vollgas. - Das Timing war perfekt. Das alles passierte kurz vor Monats- und Quartalsende (Window Dressing), zusammen mit dem Schmankerl der Saisonalität. In den letzten 21 Jahren hat der S&P am 01. Juli in 87,7% der Fälle zugelegt. Zusätzlich ein Wochenende in der Nähe des Optionsverfalls, auf welches dann der wohl wichtigste amerikanische Feiertag folgt (Unabhängigkeitstag => pre-holiday strength) und voila, alle Zutaten für einen epischen „Short Squeeze“ sind im Topf. Das einzige was noch fehlte, war der verbale Startschuß unserer „Währungshüter“. Und der kam!
- Das Handelsvolumen dieser Aufwärtsbewegung war erschreckend gering. Wie gesagt, die meisten Profis dürften das oben beschriebene Spielchen durchschaut haben und werden dem „Alles ist gut“-Narrativ der Zentralbanken nicht lange Glauben schenken. Man schaue sich bei den Einzeltiteln den atemberaubenden Kursrutsch der Bankaktien an. Auch am Freitag wurden viele Finanztitel wieder abverkauft (Allianz, AXA, BNP Paribas, Coba, ING, Soc Gen, UniCredit). Die Werte hier implodieren förmlich und viele handeln auf Niveaus der 2011/2012er Eurokrise. Die Abwärtsdynamik erinnert an die der Jahre 2007/2008 im Anlauf auf die Bear Stearns/Lehman Katastrophe. Ist das bullish???
Gleichzeitig trauen die Anleihemärkte dem Frieden auch weiterhin nicht. Die sicheren Häfen Bunds und Treasuries sind gefragt und verzeichneten neue Renditetiefs. Die amerikanische Zinsstrukturkurve verflachte sich erneut (2/10 und 2/30 signalisieren Rezession). Diese Divergenz wird sich bald in die entsprechende Richtung auflösen. - Ist es positiv, daß die Italiener unter dem fadenscheinigen Vorwand des Brexits riesige Liquiditätsgarantien für ihre Banken aussprechen? Zusätzlich fordert Matteo Renzi 40 Mrd. Euro, um die Kapitalbasis der Geldhäuser zu stärken. Der im April aufgesetzter Rettungsfonds Atlante (5 Mrd.) ist längst ausgeschöpft. Bei den jüngst laufenden Kapitalerhöhungen zeigen Privatinvestoren natürlich keinerlei Interesse, ihr Geld zu verbrennen (siehe Veneto Banca letzte Woche). Renzi versucht den Brexit nun als „außergewöhnliches Ergeignis“ darzustellen und die EU auszutricksen, um auf Kosten der Steuerzahler und Pensionskassen Geld in die Banken zu pumpen. Wohlgemerkt ohne (!) vorher Aktionäre und Anleihebesitzer heranzuziehen. Wurde es uns nicht als Errungenschaft der Rettungspakete verkauft, daß zukünftig immer erst die Bankeigentümer und Gläubiger den Kopf hinhalten müssen, bevor Steuerzahler und ihre Altersvorsorge haften?!?! Ist diese jüngste Entwicklung „bullish“ für unser System?!?!? Nicht der Brexit wird sich sehr schnell als Damoklesschwert der EU herausstellen, sondern der italienische Bankensektor.
- Der „bounce“ in dieser Woche ist der kurzzeitigen Erholung Ende August 2015 sehr ähnlich. Am 23. August kollabierten Risikoanlagen (wie nach dem Brexit auch). Danach setzte für mehrere Tage eine sehr starke Gegenbewegung nach oben ein. Dem folgte eine zweite und noch größere Welle nach unten mit neuen Tiefs unter den vorhergehenden Tiefs. Damit rechne ich auch diesmal. Nicht immer, aber sehr oft, hat der S&P nach ähnlich starken Rücksetzern (>-5%) eine starke technische Gegenbewegung nach oben hingelegt (> +4,5% in 3 Tagen), welcher dann ein erneuter Sell-Offs auf die alten Tiefs, oder darunter folgte.
- Ich halte die Rallye nach dem Brexit-Votum also für einen „dead cat bounce“ in einem Aktienmarkt, der nun schon seit 600 Tagen (!!!) seitwärts handelt. Der S&P hat die Marke von 2.060 Punkten erstmals Mitte November 2014 nach oben durchbrochen. Seither haben wir 40 (!) Versuche unternommen, nachhaltig darüber hinaus zu steigen. Ohne Erfolg!!! Es wird auch diesmal nicht gelingen. Die Widerstände über der Marke von 2.100 sind zu stark. Genau auf diesen Allzeithochs ist die Sorglosigkeit gemessen am Volatilitätsindex (VIX) aktuell wieder immens. Der VIX verzeichnete Dank der Auflösung von Absicherungsgeschäften in der vergangenen Woche den größten prozentualen Rückgang seiner Geschichte (-42%). Keine Hedges, keine Shorts auf den Allzeithochs der Aktienindizes. Wir wissen, was danach immer passierte. Wenn die Amerikaner mit Sonnenbrand und Kater am Dienstag wieder ins Handelsgeschehen eingreifen, wird sich der Markt weit weniger euphorisch als in der letzten Woche präsentieren.
- Die implizierte Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung der Fed in 2016 ist momentan höher als die einer Zinserhöhung. Gold & Silber profitieren von dem Plan der Zentralbanken, unsere Fiat-Währungen gegen die Wand fahren. Silber stieg in den letzten 6 Handelstagen um 14%. Gold verzeichnete das sechste Wochenplus in Folge. Edelmetalle legen heute am frühen Morgen in Fernost nochmals stark zu.
- Die Präsidentenwahl in Österreich wird wiederholt wegen „Unregelmäßigkeiten“ in 94 der 117 Wahlbezirke. Der Verfassungsgerichtshof kippte die zweite Runde. Der frühere Grünen-Chef Van der Bellen hatte die Stichwahl mit einem Vorsprung von nur 30.863 Stimmen gewonnen. Amüsant war die logische Reaktion vieler Zeitgenossen. Beim Brexit wurde noch lautstark eine Wahlwiederholung gefordert, das selbige in Österreich ist natürlich total blöd. Kein Wunder, daß die Politikverdrossenheit weiter zunimmt. Kaum hat man bei einer Wahl mal 146% Beteiligung, muß diese wiederholt werden (sarc). Spaß beiseite! Bei den Österreichern funktioniert die Gewaltenteilung im Gegensatz zum deutschen, oft regierungs-zudienenden Verfassungsgericht wohl doch etwas besser. Übrigens, Wahlhelfer, die für diese „Unregelmäßigkeiten“ verantwortlich sind, haben damit den Beweis für vieles erbracht aber nicht dafür, daß sie gegen Hitler in den Untergrund gegangen wären. Sorry, ihr seid nicht mutig!!!
- Der britische Schatzkanzler Osborne hatte vor dem Brexit-Votum noch mit massiven Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen gedroht, um das Wahlvolk zu ängstigen. Nun plant er einem Medienbericht zufolge aber erstmal eine deutliche Senkung der Körperschaftssteuer. Laut „Financial Times“ sei ein Steuersatz von weniger als 15 Prozent vorgesehen (derzeit 20 Prozent). Mit dieser Maßnahme will der Schatzkanzler eine wettbewerbsfähige Volkswirtschaft mit niedrigeren Unternehmenssteuern und einer globalen Ausrichtung schaffen. Wie an dieser Stelle mehrfach geschrieben, Deregulierung, Dezentralisierung und Steuerwettbewerb werden ein Segen für das Königreich nach dem Brexit sein. Die Eurokraten dürften schäumen vor Wut.