Es sah eigentlich lange alles nach einem ruhigen Freitag zum Ende einer insgesamt turbulenten Woche aus. Dax (+0,05%) und EuroStoxx (+0,14%) hatten sich schon ins Wochenende verabschiedet, da kam ein unerwarteter Tiefschlag für den Clinton-Apparat. Die E-Mail-Affäre, welche Hillary Clinton bislang durch ihr perfektes Netzwerk im Sande verlaufen lassen konnte, holt sie wieder ein. Die Rede ist von vielen tausend neuen Dokumenten, die auf dem Computer von Anthony Weiner, dem (Noch) Ehemann von Clintons Vertrauten Huma Abedin gefunden wurden. Weiner, ein ehemaliger Kongressabgeordneter, wurde durch seine „Sexting“-Geschichten bekannt, auf die ich an dieser Stelle lieber nicht näher eingehen möchte.
Im späten New Yorker Handel kündigte das FBI an, neue Ermittlungen aufzunehmen. Nur wenige Tage vor dem Wahlgang, ist dies nicht nur ein herber Rückschlag für die Ex-Außenministerin, sondern auch für die auf eine Solzialistin hoffende Wall Street. Ausgehend vom Tageshoch, fiel der S&P quasi aus dem Stand um 18 Punkte und damit genau auf die extrem wichtige Unterstützung @2.119. Die Bewegung im mexikanische Peso gegen den US-Dollar erinnerte in diesem Moment an einen kleinen „Flash Crash“. Zwar beruhigten sich die Gemüter bis zum Handelsschluss wieder etwas, aber einige Beobachter halten eine Niederlage Clintons jetzt für wahrscheinlich. Clinton wäre die erste Kandidatin in der Geschichte der USA, die in einem Wahlkampf Stimmen bekäme, während gleichzeitig die Bundespolizei gegen sie ermittelt. Ein passender Tweet dazu lautete: „Thank you loyal Democrats for not ever letting any amount of corruption and lies dissuade you from your rightful pursuit of free stuff“.
Der Verlauf des S&P über einen längeren Zeitraum betrachtet, erinnert immer mehr an ein klassisches „exhaustion pattern“. Zum einen haben wir im Wochenchart mit den letzten beiden Kerzen die Aufwärtstrendlinie, gezogen durch die Tiefs im Februar und Juni, nach unten durchbrochen. Zum anderen droht ein Durchbruch der Unterstützungszone zwischen 2.114 und 2.119. Es sind die Tiefs, welche seit September immer unter immer wieder gehalten haben. Anlässlich der starken Yuan-Abwertung, glauben nun einige Bären schon in den nächsten Tagen an eine Price-Action wie wir sie zuletzt im August 2015 und Januar 2016 erleben durften. Die Bullen hoffen weiterhin auf einen Wahlsieg Clintons und die saisonale Stärke, sprich die Jahresendrallye.
Viel interessanter in meinen Augen war aber in der vergangenen Woche das Blutbad an den Anleihemärkten. Die „Tapering“-Angst greift um sich. Für Anleiherenditen scheint es nunmehr nur noch eine Richtung zu geben und zwar die nach oben (Kurse runter). Die Renditen der Staatsanleihen in Deutschland, den USA und UK verzeichneten die Tage „Multi-Month Highs“. Der „Bloomberg Barclays Global Aggregate Index“, welcher Staatsanleihen, Hypothekenpfandbriefe und Unternehmensanleihen abdeckt, verlor im Oktober fast 3%. Letztmalig verzeichneten wir derart hohe Verluste im Mai 2013, als der damalige Fed-Chef Bernanke erstmals laut über ein Herunterfahren der Anleihekäufe nachdachte. Das, was also seit langer Zeit so stark nachgefragt wurde, wird nun in den Depots auf einmal zum Performancekiller. Vielen dürfte gerade auf schmerzvolle Weise bewusst werden, dass die gierig eingeloggten Kupons der letzten zwei Jahre noch nicht einmal im Ansatz für das eingegangene Zinsänderungsrisiko (Kursverlust in Cent pro Basispunkt in der Rendite) entschädigen.
In der neuen Woche wird wohl kaum Ruhe reinkommen. Es stehen die Treffen der Fed und BoJ auf der Agenda. Während die amerikanische Notenbank die Füße sicherlich stillhalten und frühestens im Dezember aktiv werden wird („odds“ für Dez. 80%), schaut man gespannt auf die BoJ. Eben die Japaner waren es mit ihrem „stealth taper“ (Versuch der Versteilung der Zinskurve), die den Kurswechsel am Anleihemarkt vor ein paar Wochen einläuteten. Dann, am 08. November wählen die Amerikaner ihren neuen Präsidenten. Hält der Renditeanstieg weiter an, wird höchst interessant zu sehen sein, ob dies Nachfrage weckt oder den Abverkauf beschleunigt. Sollte letzteres passieren, werden auch Aktien und andere Risikoanlagen in Mitleidenschaft gezogen.