- Ich habe bewusst gestern keinen Kommentar verfasst, um mir und dem Markt mehr Zeit zu geben das zu verarbeiten, was Anfang der Woche passierte. Ja, bedingt durch ein (kleines) Zurückrudern der EZB, setzten die Aktienindizes am Mittwoch zwar zu einer Gegenbewegung nach oben an, aber diese war nur von kurzer Dauer. Ich interpretiere diesen Gegenbewegung als „Noise“, denn der Schaden davor ist nun tatsächlich angerichtet.
Fassen wir nochmals das für mich alles Entscheidende zusammen. Was passiert ist, war kein Zufall!!! Vier der fünf bedeutendsten Notenbanken der Welt (Fed, EZB, RBoC und BoE) haben in den vergangenen Tagen ganz klar signalisiert, dass ein Ende der Politik des billigen Geldes bevorsteht. Darüber hinaus wurde in der Rhetorik betont, dass die Märkte aufgrund der Geldpolitik der letzten Jahre zu heiß gelaufen sind und das zum Problem geworden ist. Ich werte die bewusst „hawkishen“ gewählten Worte Draghis am Dienstag als Testballon dafür, wie wohl die Märkte auf solche Signale reagieren würden. Die Tatsache, dass weder Bundesanleihen und Dax sich beim Relativeren dieser Aussage am Folgetag vollständig von ihren Kursverlusten erholten, spricht Bände. Ebenso die anhaltende Euro-Stärke zeigt, dass Marktteilnehmer die Worte EZB richtig einzuordnen wissen.
Fazit: Für viele Jahre konnte man sich auf die ultralaxe Geldpolitik der „Währungshüter“ verlassen. Jetzt wurde aber unmissverständlich signalisiert, dass man sich auf eine Wende einstellen muss. Mehr noch, es ist sogar vorstellbar, dass man sich in der Rhetorik noch aggressiver geben wird, wenn der Markt diese Signale weiter bewusst ignoriert und ein Allzeithoch nach dem anderen vollzieht. Die Notenbanker wollen die Blase entlüften.
Das übliche Sommerloch mit extrem ruhigen Handel und sehr niedriger Liquidität wird dieses Jahr ausfallen. Die Marktreaktionen der letzten Tage haben gezeigt, dass auf das Thema „Tapering“ mit sehr empfindlichen Reaktionen in den Kursen von Risikoanlagen zu rechnen ist. Ein heißer Tanz für die nächsten Monate kündigt sich an. - Schauen wir uns den Dax genauer an. Mit dem Kursrutsch wurde eine neue Phase eingeleitet in der man die charttechnische Situation seit gestern noch nicht einmal mehr als „neutral“ einstufen sollte. Erst bei Schlusskursen über 12.840 (niedrigeres Verlaufshoch vom 26.05), würde diese negative Entwicklung negiert werden. Bilderbuchmäßig prallte der Index gestern an dem wichtigen Widerstandszone zwischen 12.700/12.750 ab und drehte danach deutlich ins Minus. Die wichtige Unterstützung @12.559 wurde anschliessend mühelos nach unten durchbrochen (Closing -1,83%). Techniker haben jetzt zwei Kursziele vor Augen: 1) 12.102 (Gap Closing), 2) 11.827 (38,2% Fib).
- Der deutsche Leitindex underperformte aktuell gegenüber seinen amerikanischen Pendants. Das dürfte der Eurostärke geschuldet sein (teurere Exporte).
Noch hält sich die Wall Street zwar besser, aber auch hier ziehen dunkle Wolken auf. Im S&P500 (-0,86%) ist die Marke von 2.420 (Juni Tiefs) und 2.400 (Break-Out-Level Ende Mai/Anfang Juni) jetzt im Fokus. Gestern testete man diese Region bereits. Fällt der Index darunter, wird es auch hier eklig. Der techlastige Nasdaq war abermals der Underperformer mit -1,44%, handelte kurzzeitig unter der kritischen 50-Tagelinie und testet jetzt die Juni-Tiefs. Insbesondere die beliebten FANG-Aktien fielen am stärksten. Apple beispielsweise hat jetzt sämtliche Kursgewinne des zweiten Quartals wieder abgegeben.
Anleihen kamen gestern ebenfalls erneut unter Abgabedruck (Kurse runter, Renditen hoch). Die Rendite der 10j Treasuries handeln jetzt auf einem 5-Wochenhoch. Viele Marktteilnehmer machen somit derzeit eine schmerzhafte Erfahrung. Diversifikation bringt nichts, wenn alle Marktsegmente gleichzeitig ins Rutschen kommen. Insbesondere Risk Parity Fonds könnten jetzt zu Umschichtungen, bzw. weiteren Verkäufen gezwungen werden. Der Volatilitätsindex Vix stieg zwischenzeitlich um über 50% (!!!) an. Bei knapp 10 gestartet, vollzog das „Angst-Barometer“ einen Anstieg auf 15,16, bevor man sich anschliessend wieder beruhigte (Closing 11, +10%). Die meisten Marktteilnehmer haben sich sicherlich ein anderes Quartalsende gewünscht.
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