- Ein Artikel der Nachrichtenagentur Reuters sorgte gestern Vormittag für den entscheidenden Impuls im Dax (hoch) und Euro (runter). Es ging um zusätzliche geldpolitische Maßnahmen, welche die EZB im Dezember bekanntgeben könnte, um ihren keynesianischen Traum vom Wirtschaftswachstum auf Pump zu erfüllen. Darunter die Ausweitung der Anleihekäufe sowie mögliche Strafgebühren für Banken, die zu viel Cash bei der Notenbank parken. Frei nach dem Motto, QE hat nicht funktioniert, also dann jetzt bitte mehr davon. Klatschen wir also Beifall für Draghi, der gerade auf dem besten Weg ist, unsere Währung unter die Parität zum USD zu befördern.
- An den entscheidenden US-Märkten ging es deutlich ruhiger zu. Einen Tag vor Thanksgiving, traten die US-Indizes erneut auf der Stelle. Das Volumen war bedingt durch das jetzt anstehende verlängerte Wochenende auf einem Jahrestief. Aufgrund der verkürzten Woche, wurden einige Makrodaten in ihrer Veröffentlichung vorgezogen, die allerdings nichts am derzeitigen großen Bild änderten (Jobless Claims, Industrieaufträge, Ausgaben priv. Konsum).
- Eine erste Zinserhöhung der Fed im Dezember wird nun immer wahrscheinlicher. Die meisten Marktteilnehmer sehen das Einleiten eines neuen Zinserhöhungszyklus entweder recht entspannt, oder glauben, dass die Fed danach wieder senkt. Entspannt zu sein, halte ich für naiv. Wie ein Junkie an der Nadel, hing der Markt die letzten Jahre an QE, ZIRP, TWIST und wie die Dinger alle hießen. Was meinen wir eigentlich was passiert, wenn kein Nachschub mehr kommt?!? Entspannt zu sein, nur weil die Fed behutsam an der Zinsschraube dreht ist ähnlich fahrlässig wie entspannt zu sein, wenn eine Aktiengesellschaft meldet, dass sich die Gewinnsituation langsam über einen langen Zeitraum verschlechtern wird. „An Dich“ die Aktie, wäre die richtige Reaktion.
- Einen Vorgeschmack dessen, was mit Risikoanlagen (eben auch Aktien) passieren wird, erfahren wir gerade an den Junk Bond Märkten. Hier steigen die Renditen gerade rasant ohne das die Fed überhaupt schon etwas gemacht hat (übrigens nicht nur in Werten mit Öl-Exposure, sondern mittlerweile über alle Sektoren). Grausam in diesem Zusammenhang war die gestrige Meldung, dass der spanische Konzern Abengoa kurz vor der Pleite steht. Die Aktie brach um 70% ein, Anleihen -50%. Der Bond mit Fälligkeit 2020 und einem ausstehenden Volumen von 450 Mio. $ handelte bei 13,00 auf der Geldseite. Insgesamt stehen Verbindlichkeiten von 8,9 Mrd. € im Feuer. Welche Banken haben da wohl „Exposure“?
- Sollte uns die ISIS oder Erduan (2.244 Verletzungen des griechischen Luftraumes in 2014) nicht wieder „beglücken“, dürfte es bedingt durch Thanksgiving für den Rest der Woche eher ruhig bleiben. Der Fokus liegt denn auch schon eher auf der nächsten Woche. Das EZB-Meeting, der US-Arbeitsmarktbericht und zwei Reden der Fed-Chefin Yellen stehen an.
- Unterm Strich, das hat man gestern gemerkt, haben die Jungs an der Wall Street mehr Angst eine Rally über die entscheidende Marke von 2.100 im S&P zu verpassen, als bei einem erneuten Abverkauf dabei zu sein. Das hält einen „fear bid“ aufrecht, der immerhin dafür sorgt, dass ein technisch angeschlagener Markt auf der Stelle tritt. Wie auch immer, an der 2.100 wird man sich die Zähne ausbeissen. Die erhoffte „Thanksgiving“ Rally ist ausgeblieben. S&P auf Wochenbasis unverändert, Monatsbasis +0,5%, Quartalsbasis +8,8%, Jahresbasis +1,5%.
- Im Jahr 2000 hießen die Lieblinge Microsoft, Dell, Cisco und Intel. Jetzt heißen sie Facebook, Amazon, Netflix und Google. Auf die fehlende Markttiefe der Herbst-Rally am amerikanischen Aktienmarkt, habe ich in letzter Zeit mehrmals hingewiesen. Die Aufwärtsbewegung wird nur von ganz wenigen Titeln in den Indizes getragen. Allen voran den oben genannten “ FANG“-Aktien (Facebook, Amazon, Netflix und Google). Die Kurszuwächse dieser vier Aktien, sorgten seit Jahresanfang für eine Zunahme ihrer gemeinsamen Marktkapitalisierung von 60%, während die „Earnings“ zusammengenommen nur um 13% gestiegen sind. Das ist alles, nur nicht gesund und nachhaltig.
- Auf Jahresbasis tritt der S&P also praktisch auf der Stelle. Kein Wunder, dass die meisten Sell-Side-Analysen zusammen mit der Börsenpresse so vehement an der Jahresendrally festhalten. Es ist ihr letzter Strohhalm. In diesem Jahr kam es denn auch bereits am amerikanischen Aktienmarkt zu sage und schreibe 27 gescheiterten Hausse-Versuchen. Dass sollte man bei den ganzen Artikeln mit den Headlines wie „best week of the year“ nicht vergessen. Ich bleibe dabei. Die Topausbildung nach Bullen-Märkten ist kein Event mit Stichtag, sondern ein Prozess, der sich über einen längeren Zeitraum erstreckt. So war es 2000, 2007/2008 und so ist es auch jetzt.
- Die Tage hat denn auch Goldman Sachs für Aufmerksamkeit unter den erfolgsverwöhnten Aktienmarktteilnehmern gesorgt. Das Kursziel im S&P für das Jahresende 2016 liegt gerade einmal bei 2.100 Punkten. Der Index handelt momentan bei 2.088 und schloss am 31.12.2014 bei 2059. Der nervige Seitwärtshandel wird laut Meinung der Analysten auch die nächsten 12 Monate so weitergehen. Das entspricht meinem Best-Case Szenario.
Die Mittelzuflüsse am Aktienmarkt werden sich dabei übrigens wieder hauptsächlich aus „Buy Backs“ speisen, so die Analysten. Aktiengesellschaften nehmen Fremdkapital auf, indem sie beispielsweise Anleihen bei renditehungrigen Privatkunden platzieren und führen diese Geldbeträge dann ihren Aktionären zu. Das Spiel läuft, indem man entweder Dividenden ausschüttet statt in CAPEX zu investieren, oder eben eigene Aktien zurückkauft (Buy Backs). Resultat: Aktionäre glücklich, Wall Street glücklich, Managementbonus gesichert. Das damit die Eigenkapitalbasis vieler Unternehmen zerstört wird, ist eine Entwicklung, die uns früher oder später noch richtig um die Ohren fliegen wird. Den Anleiheinvestoren übrigens als allererstes. - VW: DIe kalifornische Umweltbehörde gibt VW, Porsche und Audi 45 Geschäftstage, um einen Rückrufplan einzureichen.