Die mögliche Übernahme von Time Warner durch AT&T in Höhe von 85 Milliarden Dollar wurde als Hauptgrund genannt, warum die Aktienmärkte gestern Vormittag freundlich in die neue Woche starteten. Bekanntgegeben wurde der Deal, den wohl Trump und Clinton als Präsidenten torpedieren dürften, nach Handelsschluss am Freitag in den USA. Die Märkte lieben Mega-Übernahmen, ob sinnvoll oder nicht. Ähnlich wie beim jüngsten Bayer/Monsanto Deal schießen mir als erstes die Abschreibungen in den Kopf, die solche Zusammenschlüsse meist mit sich bringen und die jemand am Ende schultern muss. Gleichzeitig weckt das Erinnerungen an das Jahr 2000, als AOL Time Warner für über 180 Milliarden Dollar schluckte. Die Folgen dürften den meisten noch bekannt sein. Egal, man war gestern erstmal in Feierlaune.
Am Markt für Unternehmensanleihen führte die freundliche Tendenz mal wieder zu einer Flut an Neuemissonen. Hier in aller Munde natürlich der erste Bond von Netflix mit einer Laufzeit von 10 Jahren und einem Volumen von 800 Mio Dollar. Ich frage mich, in welcher Form sich die Investoren eigentlich die Kuponzahlungen dieses Unternehmens vorstellen. Abonnements von Neukunden vielleicht??? Man hat im vergangenen Quartal doppelt so viel Cash verbrannt, wie im Vorquartal. Für das laufende Jahr wird man wieder einen negativen Cash Flow aufweisen. Hätte man sich früher zu meiner Zeit als Salesman mit einer solchen Bilanz auf eine Roadshow gewagt, wäre man von den Fondsmanagern geteert und gefedert worden.
Der Dax, erneut Outperformer, stieg auf ein neues Jahreshoch von 10.822, brökelte dann aber aufgrund fehlender Anschlusskäufe wieder ab (Closing +0,47% @10.761). Abgesehen vom techlastigen NASDAQ (+1%) zogen die amerikanischen Indizes von Anfang an nur mit angezogener Handbremse mit (Dow +0,43%, S&P +0,47%). Diese Divergenz stimmt mich weiterhin vorsichtig.
Die üblichen Faktoren bremsten gestern den anfänglichen Höhenflug der Aktien. Im Tagesverlauf wieder steigende Renditen bei Bunds und Treasuries (siehe unten), ein erneut steigender Dollar-Index (8-Monatshoch), fallende Ölpreise und der chinesische Yuan auf neuem Rekordtief. Auch heute Nacht werteten die Chinesen den Yuan im Fixing gegen den Dollar erneut ab (6,7744 vs. 6,7690). Der bei den Chinesen so beliebte Bitcoin reagiert darauf schon seit geraumer Zeit am stärksten und macht damit die Kapitalflucht deutlich. Dieser stieg in den letzten drei Wochen um mehr als 10% und etabliert über der 650$ eine neue Basis.
Der Bund Future handelte gestern zunächst freundlich, drehte dann allerdings ins Minus. Auch US-Treasuries handelten schwächer (Rendite hoch). Das Fed-Mitglied Bullard zeigte sich falkenhaft, als er die Wahrscheinlichkeit für eine Zinserhöhung im Dezember als „sehr hoch“ bezeichnete.
Das Ponzi-System braucht unbedingt Inflation, um weiterlaufen zu können. Ich bleibe deshalb dabei, die großen Zentralbanken haben einen Rückgang ihrer Anleihekäufe auf dem Plan (Tapering). Wie passt das zusammen??? Ist das nicht ein Widerspruch??? Nein! Man muss sich nur in die Köpfe der Zentralbanker hineindenken. Sie brauchen einen Exit aus der gegenwärtigen Geldpolitik (QE/NIRP), sonst fährt man die Geschäftsbanken und damit das Finanzsystem an die Wand. Die Rhetorik der letzten Zeit verdeutlicht die Erkenntnis bei Draghi & Co, wenn man zwischen den Zeilen liest, dass die geldpolitischen Maßnahmen der letzten Jahre nicht mehr funktionieren. Der Bogen wurde überspannt. Man braucht wieder (zumindest moderat) höhere Zinsen und eine steilere Zinsstrukturkurve. Gezielt versucht man deshalb jetzt die Renditen der länger laufenden Anleihen zu erhöhen (Kurse runter). Und was ist mit der Inflation??? Nun, die Zentralbanken hoffen in ihrer Verzweiflung und Ohnmacht auf umgekehrte Kausalität. In einer normalen Welt bestimmt die Inflationserwartung die Rendite der Anleihen. Steigt die Inflationserwartung, steigt als Reaktion darauf die Rendite, um den Investor für die Geldentwertung zu kompensieren. Jetzt versucht man sich in einem Experiment bei dem man hofft, durch steigende Renditen, die Inflationserwartung der Marktteilnehmer nach oben zu treiben. Es ist schon fast zum Lachen, wäre es nicht so schlimm.