- Es gibt wirklich manchmal Tage, an denen ist man schlichtweg ratlos. Anders kann ich es nicht sagen. Nach dem gescheiterten Meeting in Doha, sah es am Montagmorgen vorbörslich im Dax-Future noch so aus, als ob dieser nun wirklich sturmreif geschossen wäre. Aus dem Nichts kam dann aber eine deutliche Erholung ausgehend von den Tiefs mit Schluss in der Kasse @+0,68%. Zugegeben, erstaunlich! Das dann aber gestern diese Rallye weitergehen sollte, so als hätte Yellen gerade QE-Unendlich bekanntgegeben, macht mich fast sprachlos (Dax +2,27%). Gott sei Dank, erging es den meisten Marktteilnehmern ähnlich. Ich unternehme deshalb heute auch keine Versuche, mir fadenscheinige Gründe für den Kursanstieg aus den Fingern zu saugen. Mit Ausnahme vielleicht: Mehr Käufer als Verkäufer.
- Über die letzten Wochen war eine in Aussicht gestellte Deckelung der Ölfördermenge trotz aller Vorbehalte der Haupttreiber der Aktienmärkte nach oben. Obwohl diese Pläne am Sonntag grandios scheiterten, bleibt man jetzt „outright bullish“ für Aktien?!? Ist das die neue Logik??? Das alles passierte wohlgemerkt bei gleichzeitiger Eurostärke (ungewöhnlich), bestenfalls nur leicht höheren Kursen an der Wall Street (NASDAQ im Minus), einer schwachen US-Berichtssaison (vorgestern IBM/Netflix, gestern Goldman) und einer anhaltenden Rallye in den sicheren Häfen Gold (+2%) & Silber (+4%). Selbst wenn sehr schlechte Unternehmensbilanzen weniger schlecht als erwartet ausfallen, dürfte das die Aktien nicht derart beflügeln. Insbesondere, wenn diese in ihren Bewertungen immer teurer werden (S&P KGV nun @19). Wenigstens bei den Edelmetallen scheint man erkannt zu haben, dass verzweifelte Zentralbanken aktuell wohl recht erfolgreich darin zu sein scheinen, was sie tatsächlich für uns Steuerzahler und Sparer auf dem Plan haben. So nannte ein Marktteilnehmer, dem ich auf Twitter folge denn auch zu Recht die Edelmetalle: „The only real indicator of bad earnings and balance sheets.“
- Auch der Ölpreis (+2%) handelte gestern erstaunlicherweise wieder im Plus und liebäugelt mit den Hochs der letzten Woche. Als Erklärungsversuch wird der Streik in Kuwait angeführt, was schlichtweg falsch ist, da nicht signifikant genug (heute Morgen übrigens nach drei Tagen für beendet erklärt). Es ist unwahrscheinlich, dass diese Kursniveaus lange gehalten werden können. Ich pflichte den Analysten der Commerzbank bei, wonach sich der Fokus schon sehr bald wieder auf das vorhandene Überangebot richten wird. Dazu kommt, dass Saudi Arabien, der Iran & Irak die Produktion hochfahren werden. Auch Russland und Venezuela kündigten das an. An den Terminmärkten sind die Netto-Longpositionen im Anlauf auf das Doha-Wochenende außerdem erneut auf ein neues Rekordniveau gestiegen. Allein von dieser Seite droht heftiges Korrekturpotential.
- Technisch hat sich das Bild für den Dax nach dem Durchbruch der 10.100er Region deutlich aufgehellt. Die viel beachtete 200-Tagelinie konnte gestern mit dem Anstieg über 10.300 von unten nach oben durchstoßen werden. Sicherlich sehen das nicht wenige Marktteilnehmer als Kaufsignal. Werden sie diesmal damit richtig liegen? Unser Tri-Stone Fonds-Engagement drehte gestern jedenfalls in der Dax-Basisposition erstmals seit langer Zeit wieder auf ganz leicht „long“. Im Eurostoxx hat das Short-Signal aber noch nicht gedreht.
- Es bleibt mit Blick auf die letzten Jahre Folgendes festzuhalten. Nicht selten war seit Lancierung der QE-Programme der Fed ein Durchbruch der 200-Tagelinie von oben nach unten eine Bärenfalle (2012, 2013, 2014). Vielleicht ist der Durchbruch von unten nach oben nach Auslaufen von QE diesmal eine Bullenfalle, so wie Ende 2015. Das hoffe ich natürlich insgeheim als unverbesserlicher Aktienbär.
- Bedient man sich gerne der Rolle eines Spielverderbers, was ich niemals tue, so könnte man die gestrige Platzierung der neuen Argentinien-Anleihe als Indikator für ein mögliches Top in der neuen Emerging-Markets-Euphorie bezeichnen. Erstmals seit der Pleite 2001, brachte das Land, dessen neuer Präsident auch ein Briefkästchen in Panama hat, eine Anleihe. Argentinien verbrachte etwa 1/3 seiner Geschichte in der Insolvenz und freute sich gestern über ein 4,5-fach überzeichnetes Orderbuch. Die Nachfrage der renditehungrigen Investoren war demnach enorm. Der Kupon, ursprünglich angedacht 8%, wurde reduziert. Das Emissionsvolumen war auf 15Mrd. $ gedeckelt, wurde dann aber auf 16,5Mrd. $ erhöht. Die Konsortialbanken haben sich dieser Aufstockung sicherlich nicht in den Weg gestellt. „Fees“ auf weitere 1,5Mrd. sind im gerade schlecht laufenden Investmentbanking stets willkommen. Warum haben sie eigentlich nicht gleich 60Mrd. $ emittiert??? Die „Bids“ waren da.
Weitere Schlagzeilen:
- Gestern senkte die Rating Agentur S&P ihre BIP-Prognose für die Eurozone von 1,8% auf 1,5%.
- Intel gab bekannt, 12.000 Mitarbeiter zu entlassen.
- Trump und Clinton gewinnen jeweils die Vorwahlen in NY.
- Japanische Anleihe mit 40-jähriger Laufzeit handeln heute morgen mit 0,31% Rendite auf absolutem Rekordtief. Ich wette mein letztes Hemd, dass Halter dieser Anleihen in deutlich weniger als 40 Jahren dieses Engagement noch bitter bereuen werden.
- Der Shanghai Composite (-3,62%) legt die größten Kursverluste seit Februar hin.