- Wow, nach über zwei Monaten der Langeweile, in der die Indizes an der Wall Street in einer engen und überaus frustrierenden Seitwärtsspanne gefangen waren, kam mit dem Ende der letzten Woche der Ausbruch. Und zwar nach unten! Zum einen hallte die Enttäuschung darüber nach, dass Draghi am Donnerstag überhaupt NICHTS von dem lieferte, was die Marktteilnehmer sich erhofft hatten. Zum anderen steigt die Angst davor, dass die Fed noch in diesem Monat an der Zinssschraube drehen könnte (FOMC tagt am 21. September). Das Fed-Mitglied EricRosengren (eigentlich eher „dovish“) zeigte sich am Freitag „hawkish“, als er vor den Risiken einer zu zögerlichen Geldpolitik warnte. Die Wirtschaft könne überhitzen, wenn man zu lange mit einer Zinserhöhung warte.
- Der Hauptbelastungsfaktor für die Aktienmärkte war dabei also nicht die zuletzt sehr schwachen Makrodaten (hier bestimmt eher noch der bad news = good news Narrativ), oder all die anderen Risikofaktoren (Trump vs. Clinton, Italien Referendum usw.), sondern der furchterregende Anstieg der Anleiherenditen (fallende Kurse). Der Bund Future verlor am Freitag weitere 110 Ticks. Der Anleihemarkt reagiert damit auf die Möglichkeit, dass es zukünftig weniger Liquidität seitens der Zentralbanken geben könnte. Schon mehrmals in den letzten Jahren hatten wir Phasen, in denen rasante Anstiege der Renditen, Talfahrten an den Aktienmärkten auslösten. Steigende Renditen sind Gift für das auf ständige Refinanzierung angewiesene Finanzsystem.
- Der Freitag an der Wall Street war gekennzeichnet durch ein abruptes Ende der Sorglosigkeit. Dow Jones (-2,13%) und S&P (-2,45%) verloren so stark an Boden, wie zuletzt kurz nach dem Brexit-Votum Ende Juni. Ersterer schloss genau auf der 100 Tagelinie (MA=18.085), letzterer noch knapp darüber (MA=2.120, Closing 2.127). Die Anzahl der Aktien, welche über ihrem 40 Tagesdurchschnitt handeln, fiel von 60% auf 37%. Als der S&P letztmalig an einem Freitag derart stark verlor (21.08.2015….August Crash…..und 24.06.2016 nach Brexit), ging es am darauf folgenden Montag nochmals deutlich bergab (-3,9% und -1,8%). Spannend wird also heute, ob wir Anschlussverkäufe sehen, oder ob es eine Eintagsfliege war. Der VIX-Index stieg am Freitag um sagenhafte 40% auf 17,52 und handelt jetzt über seiner 200-Tagelinie. Es war der elftgrößte „Spike“ in den letzten 25 Jahren. Ein Händler schrieb treffend: „VIX finally wakes up on a good dose of Draghi reality after too much Yellen hilarity.“ Dax & EuroStoxx retteten sich dank der früheren Schlussglocke noch mit knapp -1% ins Wochenende. Beide verloren allerdings in den nachbörslichen Indikationen nochmal mehr als 1%. Deshalb wird es heute ein großes Gap nach unten in der Eröffnung geben.
- Eine Marktphase, in der Anleihen und Aktien gleichzeitig fallen, ist für die meisten Portfoliomanager die schlimmste. So verzeichnete die 30yr der Amerikaner die schwächsten zwei Tage seit einem Jahr. Man bedenke beispielsweise die vielen „Risk Parity“ Ansätze, die bald zum Handeln gezwungen sein könnten, falls sich die beide Marktsegmente nicht schnell wieder beruhigen.
- Somit stellt sich die Frage: Ist das die Wende??? Trauen sich jetzt endlich Aktien- und Bondbären wieder aus der Deckung und das längst fällige Blutbad steht an??? Oder wird es wieder zu einer kurzen „Risk Off“-Phase, die dann zum gefühlten hundertsten Mal in einer epischen Bärenfalle endet???
Die Erfahrung aus der Vergangenheit mahnt mich als Bären zur Vorsicht. Immer wieder hat man doch in letzter Sekunde die Kurve gekriegt. Ein Analyst kommentierte die Price Action vielleicht komplett richtig als er schrieb: „Since the weak survey data did not take the Fed off of the tightening ledge, the market will take matters in its own hands.“ Er spielt damit natürlich auf die Tatsache an, dass die Fed in den letzten zwei Jahren immer dann ängstlich einen Rückzieher von angekündigten Zinserhöhungen machte, wenn die Märkte kurz vorher in Richtung Süden drehten. Nach aller „hawkishness“ im Anlauf auf FOMC-Meetings, zwang (!!!) der Markt die Notenbank dann am eigentlichen Tag der Zinssentscheidung zum „super dovishen“ Rückzieher. Die Angst vor einem historischen Crash, war dann doch immer zu groß. Die Fed hat dadurch viel Glaubwürdigkeit verspielt. Egal, ihr heimliches Mandat bleibt die Wall Street und nicht die Main Street. Das sich beides nicht auf ewig voneinander abkoppeln kann, ist klar. Wann mit dem Tag X aber die Wende kommt, bleibt unmöglich zu timen. Viele, die es versucht haben, verloren viel Geld. Der Trade war bisher ein „Witwenmacher“. Und diesmal??? - Asien startet heute Nacht sehr schwach in die neue Woche. Vor allem die weiter steigenden Geldmarktsätze in Hongkong (3M HIBOR +95bp auf 4,21%, einem 6-Monatshoch) sind auffallend. Aktuell Nikkei -1,92%, Shanghai -2,24%, Hongkong -2,78%, Australien -2,13%, Indien -1,54%.