- Der EZB-Rat ließ seine Geldpolitik bei der gestrigen Sitzung unverändert. Das war erwartet worden. Interessant war aber, dass die EZB nicht ihre Prognosen für die Inflation anhob. Damit hatten viele Analysten gerechnet. Die Notenbank senkte sogar ihre Erwartung für die Kerninflation. Dies wird als Indiz gedeutet, dass gegen Ende des Jahres neue geldpolitische Maßnahmen folgen werden. Griechischen Banken erhalten weiterhin keinen Zugang zur erhofften Geldversorgung der EZB (kein Waiver).
Großspurig verkündete Draghi für den 08. Juni den Startschuss für den Kauf von Unternehmensanleihen. Dass dies einen durchschlagenden Erfolg haben wird, glaubt wahrscheinlich nur noch „Super Mario“ selbst. Ich schrieb bereits an dieser Stelle mehrfach, dass dieses Segment absolut ungeeignet ist für solche Abendteuer. Mittelfristig wird es den Markt für Unternehmensanleihen kaputt machen. - Tauscht man sich mit Bond-Salesleuten aus, so erfährt man, dass die ursprüngliche Ankündigung vor ein paar Monaten anfänglich zu einem Run auf die Anleihen geführt habe. Entsprechend wurde auch der Primärmarkt mit Neuemissionen geflutet. Oft mit Anleihen von Unternehmen außerhalb der Eurozone (eine Zweckgesellschaft/sprich Briefkästchen innerhalb der EU genügt). Die Risikoaufschläge sanken/Anleihepreise stiegen. Seit einiger Zeit nimmt aber die Zurückhaltung unter den Investoren wieder deutlich zu. Auf den aktuellen Niveaus scheint Chance/Risiko wohl nicht mehr zu stimmen.
- Dazu passt die Nachricht, dass der ehemalige Pimco-Chef Bill Gross kürzlich in einem Bloomberg-Interview bekanntgab, er wolle „Credits“ shorten. Leicht fällt das dem Anleihe-König nach eigenen Angaben nicht, aber es bleibe ihm wohl nichts anderes übrig. Er wurde unter anderem mit den Worten zitiert: “It’s really hard to change your psychological makeup and to be a hedge manager that is comfortable with being short. I’m working on it, because I’m an investor that ultimately does believe in the system, but believes that the system itself is at risk.” In seinem nun veröffentlichten und sehr lesenswerten Monatsbericht “Bon Appetit!” führt er seinen Beweggrund weiter aus. „For over 40 years, asset returns and alpha generation from penthouse investment managers have been materially aided by declines in interest rates, trade globalization, and an enormous expansion of credit – that is debt. Those trends are coming to an end if only because in some cases they can go no further. Those historic returns have been a function of leverage and the capture of “carry”, producing attractive income and capital gains. A repeat performance is not only unlikely, it is impossible unless you are a friend of Elon Musk and you’ve got the gumption to blast off for Mars. Planet Earth does not offer such opportunities “ Kurz gesagt macht Gross darauf aufmerksam, dass die Fortsetzung des vierzigjährigen Abwärtstrends der Renditen (Aufwärtstrend der Kurse und der Verschuldung unseres Systems) wohl auf dem Mars wahrscheinlicher wäre, als hier auf unserer Erde. Sollte er recht behalten, wäre es tatsächlich an der Zeit für THE BIG SHORT.
- Wie erwartet, kam es beim halbjährlichen OPEC-Treffen in Wien nicht zu einer Einigung auf eine Deckelung der Ölförderung. Schon am frühen Morgen ließen die Iraner bekanntgeben, dass man nicht für eine solche Regelung zu haben sei. Das nächste Treffen findet am 30. November statt. Wird man bis dahin die Shorties mit den üblichen Gerüchten über eine kurz bevorstehende Einigung auf eine Deckelung in Schach halten können??? Am Nachmittag kam dann der Lagerbericht des US-Energieministeriums. Diese Lagerbestände lagen bei 535,7 Mio Barrel, einem Minus von 1,4 Mio Barrel. Die Benzinlagerbestände wurden mit 238,6 Mio gemeldet. Das entspricht einem Minus -1,5 Mio Barrel. Dadurch erholte sich der Ölpreis nach dem OPEC-Rutsch.
- In einem Artikel des Wall Street Journals werden die fatalen Folgen der Niedrigzinspolitik für unsere Ersparnisse und Altersvorsorge deutlich. Darin zeigt Callan Associates, dass man heute an den Kapitalmärkten das Risiko um den Faktor 3 hochfahren müsste, um die gleichen Wertzuwächse wie vor zwanzig Jahren zu erzielen. 1995 erzielte ein Depot bestehend zu 100% aus Anleihen einen „expected return“ von 7,5%, mit einer zu erwartenden Standard Abweichung von 6,0%. In 2015 müsste man dafür die Anleihequote auf 12% reduzieren und den Rest des Depots mit Risikoanlagen spicken (von US Large Caps bis Privat Equity). Erwarteter Wertzuwachs 7,5% unter Inkaufnahme einer Vola von …..17,2%. Ausgehend von einem Depotwert von z.B. 100 heißt das übersetzt, dass man beim Versuch, diesen Wertzuwachs zu erzielen, mit einer Wahrscheinlichkeit von fast 70% innerhalb eines Jahres eine Schwankung im Depot zwischen 83 und 117 erfahren wird. In 2016 dürfte Chance/Risiko noch schlechter liegen. Fitch meldete gestern, das Volumen der negativ rentierenden Staatsanleihen sei weltweit gerade auf einen Rekordwert von $10,4 Billionen gestiegen. Das ist 5% höher als noch vor fünf Wochen. Danke Yellen, Draghi und Merkel.
- Vor dem Wochenende erwartet uns am heutigen Nachmittag der amerikanische Arbeitsmarktbericht. Wieder werden natürlich nicht nur die neugeschaffenen Stellen und die Arbeitslosigkeit interpretiert werden, sondern auch die Lohnkomponente. Droht von dieser Seite Inflationsdruck???