- Während auf Wochenbasis der Dax knapp 550 Punkte verlor, traten dank der Aufwärtsbewegung am Freitag (S&P +2,05%) die US-Indizes in der gleichen Frist per Saldo auf der Stelle. Es war zunächst ein moderater Start in den Tag mit kurzem Hin und Her nach robustem Arbeitsmarktbericht und OPEC-Meeting (keine Erhöhung der Fördermenge). Im Anlauf auf die Schlussglocke hatte Draghi nach der schrecklichen Marktreaktion vom Donnerstag noch einmal im Zuge einer Rede in NY die Chance, seine Aussage des Vortages zu „kalibrieren“. Das tat er dann auch gewissermaßen, als er im Anschluß folgendes gefragt wurde: „Was today’s speech deliberately designed to try to offset some of the reactions yesterday?“ Der EZB-Präsident antwortete: „Not really, …..well, of course.“
Die Reaktion des kritischen Börsenportals Zero Hedge liess nicht lange auf sich warten. „Bottom line, it was, is, and always will be about manipulating markets higher and the former Goldman Sachs banker no longer even bothers not admitting it.“ Ich lass das mal fast unkommentiert so stehen und stimme zu. Es ist auf jeden Fall Wasser auf die Mühlen derer die behaupten, dass unsere Zentralbanken nicht mehr nur ein Mandat betreffend Inflation und/oder Arbeitslosikeit haben, sondern auch hinsichtlich der Indexstände an den Weltbörsen.
Während der € sich fast unbeeindruckt zeigte (fiel nur knapp unter 1,090 zurück), reichte es für eine schöne Schlussrallye ins Wochenende für den S&P und seine Freunde. Das zog den Dax-Future nachbörslich ebenfalls hoch, so das wir heute ein ordentliches Opening Gap nach oben zur erwarten haben. - Versuchen wir uns in einer etwas emotionsloseren Analyse als die Jungs bei Zero Hedge. Nach zwei verlustreichen Tagen (Mi & Do) ist es nicht unbedingt verwunderlich, daß wir eine Gegenreaktion an der Wall Street sahen, in der die schwachen Hände unter den „Shorties“ vor dem Wochenende in den Markt gespült wurden. Aus Sicht eines US-Aktieninvestors, war der EZB-Donnerstag auch nicht nur schlimm. Der Aufwertungsdruck des Dollars hat eindeutig nachgelassen und mildert den Gegenwind, dem sich exportlastige US-Unternehmen zuletzt ausgesetzt sahen. Das, gepaart mit dem Glauben vieler, wonach eine Zinserhöhung entweder verkraftbar ist, und/oder danach wieder gesenkt wird, oder überhaupt nicht kommt, hält uns (noch) auf den aktuellen Niveaus in den Indizes.
Aus Sicht eines Day-Traders bleibt es bei meinem alten „Best Case“ Szenario: Kaufe in die Marktschwäche im Anlauf auf die 2.030, verkaufe alles wieder in die Marktstärke um die Marke von 2.100. Auf Jahresbasis S&P mit schwarzer Null. „Worst Case“? Ist meinen treuen Lesern hinlänglich bekannt! - Nun sind wir ja aber keine Day-Trader, sondern Investoren mit langfristigem Anlagehorizont. Versuchen wir also, den Wald vor lauter Bäumen noch zu sehen. Seit Wochen schwankt der S&P grob gesagt zwischen 2.020 und 2.110. Dabei fällt auf, dass die Bewegung hoch auf das obere Ende dieser Bandbreite von immer weniger Aktien im Index getragen wird. Ich habe über diese fehlende Markttiefe und andere Divergenzen wie beispielsweise S&P vs. S&P Equal Weight oder S&P vs. Hochzinsanleihen mehrfach berichtet. Selbstverständlich ist dank der üblichen Saisonalität eine Jahresendrallye noch möglich. Doch selbst wenn das passiert, was kommt danach??? Die Markttechnik ist gespickt von vielen „red flags“, die auf dunkle Wolken am Horizont hinweisen.
- Ein Blick auf die Trendkanäle in langfristigen Charts (z.B. Monatscharts im Candlestick), zusammen mit der Stochastik (MACD, RSI) und ihren gleitenden Durchschnitten (MMA) zeigt, dass nur noch ein kleiner Pullback reicht, um extrem viel Schaden in der Technik anzurichten. Im S&P sowie NYSE beispielsweise, sind dann sehr schnell die Tiefs vom Herbst 2014 und Spätsommer diesen Jahres im Visier. Hält diese letzte große Unterstützungszone nicht, wird es ganz schnell sehr, sehr böse. Es würde die Bestätigung eines langfristigen Tops bedeuten, genau so wie wir es im Jahr 2000 und 2007/2008 gesehen haben.
Zuletzt gab es selbst bei beliebten Einzeltiteln/Indexschwergewichten die die Indizes selbst getragen haben interessante Divergenzen. Die neuen Hochs in Microsoft und Google wurden nicht durch neue Hochs im RSI bestätigt. Fazit: Jedem, dem der Kapitalerhalt am Herzen liegt, sollte sich das aktuelle Chance/Risikoverhältnis eines Aktien-Buy-And-Hold-Engagements wirklich genau überlegen.
Weitere Meldungen am WE:
- Frankreich: Bei den Regionalwahlen geht die Partei Front National in der ersten von zwei Runden als klarer Sieger hervor.
- Lufthansa: Auf einem Flug von Frankfurt nach Belgrad versuchte ein Mann in 11.000 Metern Höhe die Tür öffnen. Er wolle zu Allah gemeinsam mit allen Passagieren gehen.
- In London rächte sich derweil ein Islamist für Syrien in einer U-Bahnstation an drei Passanten mit einer Machete.
- Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) warnt vor angespannter Ruhe an den Finanzmärkten. Sie sei nicht dauerhaft. Vor allem die schwache Wirtschaftslage vieler Schwellenländer in Kombination mit ihren Dollar-Schulden, ist ein großes Risiko.